Trauer ist ein tiefgreifender und oft überwältigender Prozess, der unsere körperliche Gesundheit stark beeinflussen kann.
Ich selbst war überrascht davon, was Trauer mit meinem Körper gemacht hat. Einige Monate nach dem Tod meines Sohnes, ging ich zum Hausarzt, weil ich mich körperlich so schlecht fühlte. Mein Herz tat mir im wahrsten Sinn des Wortes weh. Ich hatte Angst, dass es einfach stehen bleibt und wollte die Gewissheit, dass das ,,nur" die Trauer ist und es meinem Körper eigentlich gut geht.
Das Ergebnis war unerwartet: Ich hatte zu hohe Leberwerte, hohe Blutfettwerte, meine Blutgerinnung und meine Blutzuckerwerte waren auffällig und ich hatte plötzlich eine Autoimmunerkrankung. Zuvor waren meine Blutwerte immer gut.
Ich war fertig mit den Nerven. Ich dachte mir: ,,Jetzt habe ich nicht nur meinen Sohn verloren, sondern auch meine Gesundheit".
Zum Glück habe ich meine Gesundheit NICHT verloren. Mein Körper war in Not, weil die Trauer so überwältigend war. Ich verstand nach und nach, wie allumfassend Trauer ist. Und dass auch unser Körper trauert. Meine Gesundheit bekam ich zum Glück zurück und seit über einem Jahr muss meine Autoimmunerkrankung nicht mal medikamentös behandelt werden.
Sicherlich ist die Ernährung einer von vielen Hebeln, an denen man ansetzen kann, um Wohlbefinden und Gesundheit zu unterstützen. Ich denke in meinem Fall, waren es tatsächlich vor allem andere Hebel, die mir meine Gesundheit zurück gebracht haben.
Dennoch möchte ich mich in diesem Beitrag der Ernährung in der Trauer widmen. Denn in Trauer neigen viele Menschen dazu, ihre Ernährungsgewohnheiten zu vernachlässigen. Das ist verständlich. Kämpft man um das emotionale Überleben, wird es ziemlich egal, ob die Pasta aus Vollkorn oder Weißmehl ist. Allein die Tatsache, dass man etwas isst, fühlt sich vielleicht schon wie eine Meisterleistung an. Das ist es auch.
Manche wiederum essen in der Trauer sehr viel. Sie trösten sich mit Essen und greifen oft zu zuckerreichen Lebensmitteln. Auch das ist verständlich. Es geht gerade um so viel mehr...
Und Ernährung ist doch wichtig. Gerade jetzt. Gerade weil sich jetzt alles so sinnlos anfühlt. Ernährung kann nämlich zu deiner Ressource werden. Zu einem Lebensaspekt, den DU steuern kannst. In einer Zeit, in der du Kontrollverlust erfahren hast und vermutlich auch viel Vertrauen in deinen Körper verloren hast, kannst du diesen jetzt ganz selbstständig nähren und stärken.
In diesem Beitrag möchte ich einen Einblick geben, wie Ernährung dabei helfen kann in Gesundheit zu trauern.
1. Die Gesundheit durch vollwertige Lebensmittel unterstützen
Unsere Ernährung hat eine direkte Wirkung auf unsere körperliche und psychische Gesundheit. Trauer hat unter anderem Einfluss auf das Herz-Kreislaufsystem und das Immunsystem ( Buckley et al., 2012 und Knowles et al., 2019). Durch eine gut geplante pflanzenbasierte Ernährung können eben diese Systeme gestärkt werden.
Dazu braucht es Vollkornprodukte oder Pseudogetreide (Vollkornnudeln, Haferflocken, Vollkornbrot, Hirse, Buchweizen,...), ausreichend Protein (Linsen, Bohnen, Tofu,...), gesunde Fette (z.B. Leinsamen, Nüsse oder pures Nussmus, Mikroalgenöl) und viel buntes Gemüse und Obst. Und ggf. Nahrungsergänzungsmittel (z.B. Vitamin D im Herbst/Winter und Vitamin B12 bei einer veganen Ernährung). Versuche die Lebensmittel möglichst naturbelassen zu verzehren, also wenig verarbeitet.
Tipp: Probiere am Tag zumindest drei Gemüse- oder Obstfarben zu essen (z.B. gelb- Banane, grün - Spinat, orange - Süßkartoffel).
2. Stabilität durch Routine
In der Trauer kann der Alltag aus den Fugen geraten. Morgens, Mittags, Abends - irgendwie fühlt sich alles gleich (schlecht) an. Wie ein vernebelter, matschiger Tag. Eine regelmäßige Essensroutine kann ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit bieten. Versuche, feste Essenszeiten einzuhalten und Mahlzeiten bewusst zuzubereiten. Das Kochen kann eine meditative Tätigkeit sein, die dabei hilft, das Gedankenkarussell zu bremsen.
3. Nährstoffdichte Lebensmittel
Verlust bedeutet einen großer Stress für die Psyche, die Seele und den Körper. Tatsächlich wird das Stresshormon Cortisol vermehrt ausgeschüttet. Der Körper benötigt bei Stress besonders nährstoffdichte Lebensmittel. Das heißt Lebensmittel, die viele Mikronährstoffe (Vitamine und Mineralstoffe) enthalten.
Frisches Obst und Gemüse: Sie sind reich an Vitaminen und Antioxidantien, die das Immunsystem stärken und den Körper unterstützen. Versuche bei jeder Mahlzeit ein rohes Gemüse, Obst oder frische Kräuter zu integrieren (denn manche Vitamine sind hitzeempfindlich). Das könnte z.B. ein Tomatensalat sein, oder ein paar Radieschen oder frische Petersilie als Topping.
Vollkornprodukte: Vollkornprodukte sind für den Blutzuckerspiegel weniger ,,stressig" als Produkte aus Auszugsmehl (weißem Mehl). Sie sättigen außerdem langanhaltend und sind viel nährstoffdichter. Greife einfach beim nächsten Einkauf zu den Vollkornnudeln anstatt zu den hellen Nudeln.
Nährstoffdichte Fette: Gesunde Fette sind essentieller Bestandteil der gesunden Ernährung. Greift man zu Öl, wird man zwar mit Fett versorgt, aber es sind ansonsten kaum andere Nährstoffe enthalten. Die Nährstoffdichte ist somit gering. Statt einem Öl, z.B. Leinöl, könnte man aber auch einfach die ursprüngliche Fettquelle - in diesem Fall Leinsamen- essen. Der Vorteil: Leinöl ist ein Teil der Leinsamen und fast all die guten Nährstoffe des Samens sind futsch. Leinsamen hingegen beinhalten das gesunde Öl und jede Menge Nährstoffe, Faserstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die deine Gesundheit unterstützen. Dasselbe gilt für Chiasamen, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne, Oliven, Nüsse,...
Natürlich muss keinesfalls auf Öl verzichten werden. Das ist eher als Einladung zu verstehen, Ölsaaten (,,Samen & Kerne") und Nüsse (oder Nussmus) in die Ernährung einzubauen.
4. Wasser nicht vergessen
Nach einem schweren Verlust kommt es schon mal vor, dass die eigenen Grundbedürfnisse ignoriert werden. Manchmal vergisst man dann ausreichend zu trinken. Dehydrierung kann die Stimmung weiter verschlechtern und zu Konzentrationsschwierigkeiten führen - womit man während der Trauer sowieso häufig Schwierigkeiten hat. Außerdem ist es für den Körper Stress pur, wenn er nicht ausreichend Flüssigkeit erhält und auf Sparmodus laufen muss. Egal wie mies es dir geht, du musst ausreichend trinken (Wasser oder ungesüßter Tee).
Mein Tipp: Besorg dir eine 1-Liter- Trinkflasche und versuche diese bis zum frühen Nachmittag leer zu trinken. Dann fülle sie erneut und trinke den zweiten Liter bis zum Schlafengehen. Achte dabei auf deine Bedürfnisse, vielleicht sind auch 1,5 Liter für dich genug.
5. Der soziale Aspekt des Essens
Essen kann auch eine Möglichkeit sein, mit Menschen in Kontakt zu treten. Falls dir das gerade gut tut. Gemeinsame Mahlzeiten mit Freund*innen oder Familie können das Gefühl der Isolation mindern. Scheue dich nicht, Unterstützung von Anderen einzufordern oder anzunehmen. Vielleicht tut es dir gut, wenn jemand ein Abendessen vorbeibringt und ihr gemeinsam esst. Dein Umfeld ist wahrscheinlich unglaublich erleichtert, wenn du ihnen sagst, wie sie helfen können (gleichzeitig ist dies aber auf keinen Fall deine Aufgabe - mach' das nur, wenn es dir hilft).
6. Achtsamkeit beim Essen
Achtsames Essen kann helfen, den Fokus auf den Moment zu richten. Dieses ,,im Moment leben" - von Sekunde zu Sekunde - kann die Trauer sanfter machen und die Psyche beruhigen.
Nimm dir Zeit, deine Mahlzeit bewusst zu erleben. Spüre den vom Teller aufsteigenden Dampf in deinem Gesicht, nimm den Geruch wahr, die Aromen, die Textur, die Farben. Spüre, wie du dich nährst. Wie fühlt sich dein Körper nach jedem Bissen an?
7. Selbstliebe-Praxis
Deine geliebte Person ist gestorben. Du bist zurückgeblieben. Durch den Verlust hast du womöglich an Selbstvertrauen verloren. Und vielleicht fällt es dir gerade schwer, sanft und liebevoll zu dir selbst zu sein. Denn alles fühlt sich falsch an.
Gesund zu essen kann eine Gelegenheit sein, Selbstliebe zu praktizieren. Du nährst dich, weil du es wert bist. Glaub mir, du bist es wert (Vertrau mir hier einfach, bis du es selbst glaubst).
Und zu dieser Selbstliebe gehört dazu, dass du dir erlaubst, das zu essen, das dir gerade im Moment gut tut, ohne Lebensmittel in gut oder schlecht einzuteilen. Die Ernährung in ihrer Gesamtheit kann gesund oder ungesund sein - ein Lebensmittel selbst in gesund oder ungesund einzuteilen macht wenig Sinn. Vielleicht denkst du, dass Schokolade ungesund ist. Wenn dein Körper aber gerade danach verlangt und deiner Seele die Schokolade auch wirklich gut tut, dann ist die Schokolade - in Maßen - in diesem Moment für dich gut.
Tipp: Achte wie im vorherigen Punkt erklärt auf dein Körpergefühl und du wirst merken, dass du ein immer besseres Gespür dafür bekommst, was dir gut tut.
Wünschst du dir Unterstützung auf deinem Weg zu einer bewussten Ernährung und einem achtsamen Essverhalten?
Dann darfst du mich gerne kontaktieren. Als Hebamme und Ernährungswissenschaftlerin habe ich das notwendige Ernährungs- und Gesundheitswissen. Als verwaiste Mutter kann ich in etwa erahnen, wie es dir gerade geht und viel Feingefühl in die Beratung mitbringen.
Trauer gesund!
Valeria
P.S.: Trauern ist gesund! Es ist die physiologische also gesunde Reaktion auf einen Verlust.
Buckley T, Sunari D, Marshall A, Bartrop R, McKinley S, Tofler G. Physiological correlates of bereavement and the impact of bereavement interventions. Dialogues Clin Neurosci. 2012 Jun;14(2):129-39. doi: 10.31887/DCNS.2012.14.2/tbuckley.
Knowles LM, Ruiz JM, OʼConnor MF. A Systematic Review of the Association Between Bereavement and Biomarkers of Immune Function. Psychosom Med. 2019 Jun;81(5):415-433. doi: 10.1097/PSY.0000000000000693.
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